Erkundung der irdischen Wurzeln der Kritischen Philosophie: HCTS veranstaltet Vortrag „Kant auf Erden“


Am Abend des 14. Oktober veranstaltete das Humboldt-Forschungszentrum für interdisziplinäre Studien der Hunan Normal University im Zhonghe-Gebäude einen wissenschaftlichen Vortrag mit dem Titel „Kant auf Erden“. Als zentrales Ereignis der dritten jährlichen „Humboldt-Tag“-Reihe referierte Professorin Stefanie Buchenau, eine renommierte Wissenschaftlerin für deutsche Geistesgeschichte von der Universität Sorbonne Nouvelle (Paris III). Unter der Moderation von Professorin Ren Haiyan von der Fakultät für Fremdsprachen befasste sich der Vortrag mit Immanuel Kants frühen geografischen Schriften und beleuchtete die tiefgreifenden, jedoch oft übersehenen inneren Zusammenhänge zwischen seinen irdischen Forschungen und seinem späteren kritisch-philosophischen System.


Zu Beginn ging Professorin Buchenau auf die historische Rezeption von Kants geografischen Beiträgen ein. Sie betonte, dass Kant nicht nur eine Gründungsfigur der modernen westlichen Geografie im 18. Jahrhundert war, sondern auch ein engagierter Dozent, der über einen Zeitraum von vierzig Jahren 49 Zyklen von Vorlesungen zur physischen Geografie hielt. Trotz dieses beachtlichen Werkumfangs wurden diese Schriften in der akademischen Welt lange Zeit als vorkritische Anomalien an den Rand gedrängt oder als bloße Populärwissenschaft zum Broterwerb abgetan. Professorin Buchenau argumentierte, dass solche Sichtweisen die zentrale Bedeutung des geografischen Denkens in Kants intellektuellem Gebäude stark unterbewerten und die ganzheitliche Logik seiner philosophischen Entwicklung verdecken.


Zur Untermauerung ihrer These stellte Buchenau fest, dass Kants geografische Reflexionen weder zufällig noch peripher waren, sondern vielmehr eine wesentliche Voraussetzung für die Begründung seiner kritischen Philosophie darstellten. Sie zeigte auf, dass Kants philosophischer Begriff der „Orientierung“ – die Nutzung kartografischer Werkzeuge zur Navigation in der Welt – seine gedanklichen Wurzeln in seiner frühen systematischen Reflexion über den geografischen Raum hat, was eine stringente logische Verbindung zwischen beiden Bereichen offenbart.


Anschließend wandte sich der Vortrag einer detaillierten Analyse zentraler früher Texte zu. In seinem Werk Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels von 1755 zeigte Kant eine makroskopische kosmische Vision, in der er versuchte, Mechanismus und Teleologie sowie materielle Unendlichkeit und moralische Ordnung zu synthetisieren. Seine Schriften enthielten bereits tiefgreifende Einsichten in die marginale, aber angemessene Stellung des Menschen im Universum, was eine seine Epoche übersteigende Weitsicht widerspiegelt. Darüber hinaus illustrierte Buchenau in der Analyse dreier Essays, die nach dem katastrophalen Erdbeben von Lissabon 1755 verfasst wurden, wie Kant mit Vernunft und Wissenschaft den theologischen Fatalismus zurückwies. Stattdessen untersuchte er geologische Ursachen und schlug zukunftsweisende Rahmen für die Risikobewertung vor, was ganz dem aufklärerischen Ethos der Rationalität und wissenschaftlichen Untersuchung entsprach.


Professorin Buchenau lenkte die Aufmerksamkeit auch auf das kartografische Erkenntnismodell, das Kant in seiner Ankündigung der Vorlesungen über physische Geographie einführte. Sie merkte an, dass seine Konzeption des Menschen als „Verwalter der Erde“ und sein Plädoyer, die Welt mit der „Neugier eines Reisenden“ zu beobachten, keine isolierten Gedanken waren. Diese Konzepte setzten sich fort und vertieften sich in seinen späteren anthropologischen Studien und sogar in der Kritik der reinen Vernunft. Sie schloss mit der Feststellung, dass Kants frühe geografische Werke die wesentliche intellektuelle Grundlage für seine Anthropologie und kritische Philosophie bildeten, womit die geografische Dimension zu einem unverzichtbaren Bestandteil seines Denkens wird.


In der anschließenden Fragerunde herrschte eine lebhafte Atmosphäre, als Wissenschaftler und Studierende in einen regen Dialog traten. Die Themen reichten von der Spannung zwischen Kants „sesshafter“ Perspektive – da er nie weite Reisen unternahm – und seiner universalistischen Philosophie über die methodischen Merkmale seiner wissenschaftlichen Forschung bis hin zur Schnittstelle seines geografischen Denkens mit der Globalgeschichte. Dieser intellektuelle Austausch erweiterte das Verständnis des Publikums für das Thema zusätzlich.


Dieser Vortrag hat die lange vernachlässigte geografische Dimension der kantischen Philosophie erfolgreich offengelegt. Er bot nicht nur einen neuen Zugang zur Erweiterung der kantischen Forschung, sondern lieferte auch einen wichtigen Anhaltspunkt für die Neubewertung des Zusammenspiels zwischen Philosophie und Wissenschaft in der Aufklärung und besitzt somit einen bedeutenden heuristischen Wert für zukünftige Forschungen auf diesem Gebiet.


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